Donnerstag, 30. Juni 2011

Kreisch, es ist Ende Juni

Das habe ich heute erschrocken festgestellt. Die Zeit rennt und rennt und bleibt nicht stehen. Nur noch 22 Tage von meinem wundervollen Austauschjahr in diesem tollen Land. Im Vergleich zu den 330 Tagen, die es mal waren: Nichts. Absolut nichts.

Die Woche verlief wie fast immer sehr ruhig, in der Schule komm ich gut mit, es macht sogar manchmal Spaß, obwohl ich mich bei dem Gedanken ertappe mich darauf zu freuen in Deutschland bald wieder was zu lernen. Wenn man einmal sieht was man eigentlich hatte, kehrt die Motivation freiwillig zu lernen ganz von selbst zurück. ;)
Am Samstag war ich dann auf dem Geburtstag eines meiner besten Freunde, Chorqe. Eigentlich heißt er ja Jorge, aber so nennt ihn niemand. XD Wir wollten eine kleine Überraschungsfeier für ihn geben, und haben ihn am Samstagnachmittag als Waschbären verkleidet erwartet.Das mit den Waschbären war meine Idee und es ist eine viel zu lange Geschichte zu erklären, wie ich darauf gekommen bin. :) Auf jeden Fall haben wir ihm ein „Feliz Cumple“ in Waschbärenkostüm gesungen, das wirklich sehr nach Waschbär aussah, und seine erste Frage war: „Was seid ihr? Kaninchen?“ Dafür hat er erst mal Haue bekommen. ;) Es war ein sehr schöner Nachmittag, nur irgendwann musste ich aufbrechen, weil ich abends zum Abendessen bei meiner Nachbarin und Freundin Marti eingeladen war. Es war ein sehr schöner Abend, mit einem köstlichen Schokokuchen als Nachtisch, den Martis Mutter nur für mich gemacht hatte, und wir haben uns viel unterhalten, gelacht, Wii gespielt und einen Film geguckt. Auf Weggehen habe ich dann verzichtet, ich war nämlich erst um 2 Uhr zu Hause und viel zu faul zum Umziehen. XD
Am Sonntag hatten wir dann wieder ein Asado, wie immer köstlich. Ich werde es so vermissen... Ich bin danach zum Mate-Bingo gegangen, das meine Klasse organisiert hatte, um Geld für den Abschlussball zu sammeln. Mate Bingo ist einfach ganz normales Bingo...nur dass dabei Mate getrunken wird. Gerühmt sei der Einfallsreichtum der Argentinier. ;) Da meine Freunde fast die ganze Zeit beschäftigt waren, musste ich zeitweise für sie mitspielen, sodass ich mich manchmal auf zehn Spielkarten gleichzeitig stürzen musste, um die richtigen Zahlen anzukreuzen. Und trotz dieser Menge hab ich nichts gewonnen..ich hatte eben kein Glück. :( Am Anfang hat das Bingo noch echt Spaß gemacht, nur irgendwann wurde es länger und länger und länger... . Mit der halben Stunde Aufräumen danach, habe ich sicherlich gute fünf bis sechs Stunden in dieser Turnhalle mit Bongo spielen verbracht. Ich hab keine Ahnung wie einige das jeden Sonntag machen können...
Nach dem Abendessen hab ich mich dann noch mit ein paar Leuten aus meinem Kurs getroffen, wir haben das gelungene Bingo gefeiert und so war ich dann eben am Sonntag relativ spät im Bett, aber das Opfer habe ich gerne gebracht. :)
Momentan spuckt der Nepomuk leider wieder, Asche steht auf dem Speiseplan und deshalb war ich heute auf dem Laufband und nicht auf der Pista. Ich kann wirklich keine Asche mehr sehen, im Mund haben, in den Augen haben oder nur das Wort „ceniza“ (Asche) hören. Und mir tuen all die Menschen so fürchterlich Leid, die jetzt im Zentrum der Provinz in Asche versinken, keine Erträge mehr haben, deren Tiere alle sterben, die kein Trinkwasser mehr haben und so viel wegen des Vulkans leiden müssen. Auch wenn es Bariloche und Villa La Angostura besonders hart getroffen hat- Das sind noch reiche Orte, die die Menschen problemlos unterstützen können. Doch im Zentrum Chubuts hilft jetzt nur noch Hoffen, auf das der Vulkan sich bald beruhigt.

Dia de la Bandera

Zwei Wochen zuvor...
Ich hinter der Bühne, im Zuschauerraum sind gerade die Nationalflaggen ausgezogen und zwei meiner Klassenkameraden sind grad dabei einen kleinen Sketch aufzuführen. In anderthalb Minuten bin ich mit meiner Gruppe dran, den Tanz, den wir seit Dienstag einüben, aufzuführen.


Sowohl den Donnerstag, als auch den Freitag gestern haben wir im Theater verbracht, um den acto für den „Dia de la Bandera“ einzustudieren. Die Fahne Argentiniens wird hier mit einem ganz anderen Stolz und einer anderen Liebe als in Deutschland getragen. Es steht für ein Argentinien- das Land, das eigentlich nur aus Einwanderern aus ganz Europa besteht. Und so ist eben die Flagge das Zeichen für EIN argentinisches Volk. Von Manuel Belgrano das erste Mal 1812 präsentiert, wurde sie das Symbol für die Unabhängigkeit von Spanien und für den Stolz des argentinischen Volkes.

Jetzt sind die Bühnenlichter wieder an, die Musik beginnt und wir beginnen zu tanzen. Und als ich in einem Moment in den dunklen Zuschauerraum gucke, während ich mit meinem weißen Tuch umherwirbel, erfasst mich plötzlich eine unbändige Freude. Freude darüber, hier sein zu dürfen und als „Argentinierin“ ganz selbstverständlich nicht nur den acto ansehen, sondern auch aktiv dran teilhaben zu können.
Das Programm ist vorbei, alles ist wunderbar gelaufen und ich glaube dieser acto ist einer der besten in der Geschichte der actos. XD Fanny, die Direktorin wendet sich noch mit ein paar Dankesworten an die Schüler und Lehrer und auf einmal sagt sie: Ganz besonders hat es mich ja gefreut eine Schülerin zu sehen, eine „Ausländerin“, die nicht nur zugesehen, sondern wie selbstverständlich mitgemacht hat.
Es war natürlich sehr schwer herauszufinden von wem sie sprach. ;) Ich wollte erst nicht auf die Bühne, doch meine Klassenkameraden haben mich auf die Bühne gestoßen.
Und nun steh ich da, in Fannys klammernder Umarmung gefangen, während sie betont wie sehr es sie doch freut, wie ich das Nationalsymbol der Argentinier ehre und mich damit selbst zur Argentinierin mache. Sie endet, guckt mich an und fragt: „Willst du etwas sagen?“ Ein „Nein“ ist jetzt natürlich unmöglich und ich sage: „Hola“. Und ich beginne zu erzählen, dass ich mich noch genau erinnere dass das das allererste und auch einzige Wort war, was ich an meinem ersten Schultag an alle gerichtet habe. Und trotzdem war es kein Hindernis für die Schüler mich aufs Herzlcihste aufzunehmen. Es war kein Hindernis, dass alle alles mindestens dreimal wiederholen mussten, dass sie mich nicht und ich sie nicht verstanden habe- all das war kein Hindernis für sie zu meinen Freunden und Klassenkameraden zu werden. Und sie waren immer der Grund, warum ich gerne zur Schule gegangen bin und gehe- weil ich sie sehen kann. Und ich bin ihnen so dankbar für all das, was sie für mich getan haben.
Fer und Ich
Ich glaub ich habe das ganze Theater zum Weinen gebracht. XD Und auf einmal stürmt meine ganze Klasse auf die Bühne, sie umarmen mich und einige Weinen, sie sagen sie werden mich so vermissen und dann schließen sie mich in einen großen Kreis und beginnen zu springen und zu singen: „There no se va, no se va, no se va!“ (There geht nicht :) ) Während ich die Rede gehalten habe, konnte ich mich nur mit Mühe zurückhalten loszuweinen. Doch jetzt denke ich gar nicht mehr ans Weinen, ich bin einfach nur glücklich. Ich empfinde pures Glück zu sehen, wie sehr mich all die Menschen, die ich lieb gewonnen habe in ihr Herz geschlossen haben. Es war ein wunderbarer Tag, einer der schönsten in meinem Leben und natürlich ganz oben bei den unvergesslichen Tagen, die dieses Jahr hier schon hervor gebracht hat. :)

Am Samstag war ich dann im Radio Chubut zu hören. :) Und zwar ist ein Rotarier Rdiosprecher und wollte doch unbedingt ein Interview mit mir führen. Ich hab natürlich mit Freuden ja gesagt, und so saß ich am späten Nachmittag mit Elba an meiner Seite im Auhnahmeraum. Das rote Licht blinkte auf und die Fragen begannen. :) Natürlich war ich nervös, ich hatte noch nie vorher im Radio gesprochen und auf einmal fällt einem auf, wie schwer das ist vollständig zu reden, sodass man nicht den Zuhörern Informationen enthält, die für einen selbstverständlich sind, aber für jemanden, der dich nicht kennt natürlich nicht. Aber Bruno (der Rotarier) hat mir wunderbar geholfen, und irgendwann hatte ich dann auch raus immer „Si“ zu sagen und nicht nur zu nicken. ;) Ich meine es sieht einen ja niemand. :D Ich war am Ende ganz zufrieden mit mir und die Radiosprecher waren sogar regelrecht begeistert- so schlimm kann es nicht gewesen sein. XD
Abends war ich dann noch bei Pri, wir haben Tacos gegessen und bis späääät in die Nacht Truco gespielt. :)
Am Sonntag war dann Vatertag, der hier weitaus ernsthafter und würdiger als in Deutschland begangen wird, wir waren bei meiner Tante Empanadas essen und haben einfach auf alle Väter angestoßen. :) Danach noch eine Siesta und ein Filmchen und schon war der Sonntag um.
Am Montag war dann der Feiertag zum acto, es gab köstliches Asado zu Hause, ich bin danach noch etwas spazieren gegangen und auch dieser Tag verlief ruhig. :) So hatte ich ein tolles Wochenende und nachträglich wünsche ich allen noch einen „Feliz Dia de la Bandera!“ :)

Dienstag, 14. Juni 2011

Gulasch mit Spätzle

Ein Gericht, das in Deutschland so normal erscheint und hier ganz fremd ist.
Am Sonntag haben nämlich meine Mama Gaby und ich endlich verwirklicht, was wir uns schon seit so langem vorgenommen haben: ein deutsches Mittagessen zu kochen. Also standen wir, nach Shoppen und Einkaufen, am Samstagnachmittag in der Küche und haben 4 Kilo Fleisch, fünf große Zwiebeln, Paprika und Möhren in Gulasch verwandelt. Da Gulasch dann doch nicht soo fremd wie zum Beispiel Roulade ist, hatte der Fleischer Gotts sei Dank schon den größten Teil des Fleisches in Gulaschwürfel geschnitten.
Also war der ganze Samstagnachmittag bzw. früher Abend dem Gulasch gewidmet und der Donauwelle, die als Nachtisch vorgesehen war. Ich hab nur den Pudding zu viel Milch gegeben und es gibt hier kein Palmin, sodass die eigentlich feste Creme am Sonntag etwas flüssiger war. Was aber niemanden gestört hat. :) Am Samstagabend kam dann die beste Freundin meiner Mama, Andrea, und hat Pizzen vorbereitet. Ich hatte eigentlich vor wegzugehen, aber da ich erstens keine Lust auf eine Disko voller Asche hatte, und Andrea und ich auf absolut einer Wellenlänge sind (wir lachen uns immer gegenseitig unter den Tisch), bin ich zu Hause geblieben. Es war die richtige ENtscheidung, ich hatte einen tollen Abend und nach dem Essen haben wir noch Meine Braut, ihr Vater und ich Teil 3 auf DVD geguckt, lustiger Film, wenn auch LÄNGST nicht so gut wie seine Vorgänger. :)
Am Sonntag ging es dann für mich schon verhältnismäßig früh aus den Federn. Denn jetzt wurden anderthalb Kilo Mehl, 12 Eier und anderthalb Liter Wasser in Spätzleteig verwandelt, der dann geduldig von Mamá in die Spätzlereibe gefüllt, über kochendes Wasser gerieben und als frische Spätzle wieder rausgefischt wurde. :) Und dann schlugen auch schon die Gäste auf. Die ganze Familie war eingeladen (der in Trelew lebende Teil) und so waren wir eine muntere Runde von 18 (!) !! :) Mein kleiner Bruder Lean hatte mit viel Begeisterung schon am Samstag angefangen Deutschlanddeko zu basteln, die dann neben meinen beiden großen Deutschlandflaggen die Esszimmerwände schmückte. :) Es war einfach ein tolles Mittagessen, der Gulasch ist so lecker geworden, die Donauwelle trotz flüssigen Puddings war köstlich und mal wieder war alles viel zu viel. ;) Obwohl am Abend fast nichts mehr über war...allen muss es sehr sehr gut geschmeckt haben. :) Meine Onkel, Tanten und abuelos waren begeistert und ich war so so glücklich. :) Am Nachmittag bin ich dann noch zum 18. Geburtstag einer Freundin gegangen, natürlich gabs Torte, sogar drei Stück, ich hab allerdings nur eine probiert. ;) Am Abend war ich dann so voll, dass ich nur noch eine halbe Schale Suppe gegessen habe und dann ins Bett bin, natürlich nicht bevor ich noch einmal meine Mamá ganz fest umarmt und mich bei ihr für diesen wundervollen Tag bedankt habe.
Ich habe hier eine so wundervolle Familie, die ich ganz schrecklich vermissen werde und ich bin dankbar für all die Menschen, die ich hier kennengelernt habe und in mein Herz geschlossen habe. :) Gestern gings dann wieder in die Schule und nach einer Woche Pause auch wieder zur Pista. Allerdings ist heute wieder Asche gefallen, für den Sonntag ist ein neuer Vulkanausbruch angekündigt, also denke ich gerade drüber nach nicht einfach aufs Laufband ins Fitnessstudio zu gehen, da schon die letzte Woche aus viel zu viel Essen und zu wenig Sport bestand. ;)
Gleich geh ich wieder zur Schule, ich üb mit ein paar meiner Klassenkameradinnen einen Tanz ein, der am Freitag beim, von uns organisierten, acto zum Dia de la bandera (Tag der Flagge, 20. Juni) aufgeführt wird. :)
Muchos Besos

Mittwoch, 8. Juni 2011

Puyehue- der Nepomuk aus Chile

Gestern Abend hieß es dann doch: "Am Mittwoch werden alle Schüler in Trelew, Gaiman und Rawson von den schulischen Aktivitäten befreit." Also nach einem Tag Schule doch wieder eingekerkert. Es wird stark davon abgeraten das Haus zu verlassen und eine Atemschutzmaske ist empfehlenswert. Einige haben begonnen sich mit Trinkwasser und Lebensmitteln einzudecken. Und der Himmel bleibt weiterhin grau.


Grund dafür ist der chilenische Vulkan Puyehue, der am Samstag angefangen hat Asche und Sand auszuspucken. Einen größeren Ausbruch gab es noch nicht, aber Experten vermuten, dass es dazu noch kommen wird. Über 22 Dörfer in der Nähe des Puyehue wurden evakuiert. Doch da der Vulkan so nahe an der argentinischen Grenze liegt, dauerte es nicht lange und der starke Wind trug die Asche ganz ohne den Pass zu verlangen über die Grenze und in den Touristen-Ort Bariloche. Der jetzt unter einer centimeterdicken Ascheschicht begraben liegt. Und wie der patagonische Wind so ist, war ihm Bariloche nicht genug und er fegte über ganz Chubut, eine Aschewolke mit sich ziehend. Und so begannen am Samstag-Abend die Ascheflöckchen zu fallen. Ich hatte den Nachmittag in einem Zentrum für Kinder aus ärmeren Vierteln in Trelew verbrach, hatte mich dann in die Küche gestellt und eine Schwarzwälder-Kirsch-Trote kreiert und war dann aufgebrochen, um mit meinen Freunden bei Pri Pizza zu essen und Karaoke zu singen. Als ich dann nach Hause kam bemerkte ich die feinen kleinen Flöckchen auf meinem Mantel. Und am Sonntag war schon alles von einer zarten Decke aus Asche begraben. Das Asado wurde abgesagt, ich schaute fasziniert auf den Ascheregen und wir haben uns den Tag lesend, würfelnd, Filme guckend und essend vertrieben. Irgendwer musste sich ja jetzt um die Torte kümmern. ;)
Am Montag war auch keine Schule, wir blieben abermals im Haus, die Asche hatte aufgehört zu fallen und dem Fernseher entnahmen wir, dass die Wolke in den Norden nach Villa La Angostura und San Martin gezogen war, die beiden Dörfer vollständig unter sich begraben hatte und jetzt seinen Weg nach Buenos Aires begonnen hatte. Ezeiza wurde geschlossen, alle Flüge gestrichen.
Am Dienstag bin ich wieder in die Schule, ein starker Regen hatte eingesetzt und hatte den Himmel in ein braunes Etwas verwandelt. Man konnte gerade mal 100 Meter weit sehen, Wind blies einem den Sand um und in die Ohren und eigentlich fiel einem bei diesem ANblick nur das Wort "Weltuntergang" ein. Deshalb wurde die Schule heute wieder abgesagt, alles ist sandig/staubig/voller Asche.
Allerdings versichere ich jetzt allen in Deutschland- es hört sich weitaus schlimmer an als es ist. In Villa la Angostura wurden heut Wasser und Lebensmittel verteilt, der Regen hat die Asche in eine graue, schwammige Paste verwandelt. Aber allen geht es dennoch und weiterhin gut. Und ich bin hier auf der anderen Seite der Provinz, die Vulkanwolke hat nichts toxisches an sich, es ist eben nur Sand, der sich nicht so fein in der Lunge macht. Mir geht es prima, allen hier geht es wunderbar, also bitte macht euch keine Sorgen. Es hört sich deutlich schlimmer an als es in Wirklichkeit ist. Ich harre jetzt hier aus, heute Nachmittag nutze ich die schulfreie Zeit einer Freundin und vielleicht geht es ja morgen schon wieder ein weiteres Mal in die Schule. :)
Ein großer beso